Muskelaufbau durch Dehnen? Was Studien zeigen

faktengeprüft

Muskelaufbau durch Dehnen

Der Zusammenhang zwischen Dehnen und Muskelaufbau wird nach wie vor größtenteils kontrovers diskutiert. 

Das ist wenig verwunderlich, finden doch einige Studien positive Effekte durch Dehnen auf das Muskelwachstum, während andere Studien genau das Gegenteil feststellen.

Neuere wissenschaftliche Studien zeigen zwar recht eindeutig, dass sehr intensives und lange andauerndes Dehnen alleine tatsächlich Muskelwachstum stimulieren kann.

Warum das trotzdem für die meisten von uns keine Alternative zum Krafttraining darstellt, erfährst du jetzt.

Kann man durch Dehnen Muskeln aufbauen?

Ob sich alleine durch Dehnen effektiv Muskeln aufbauen lassen, ist nach wie vor aktiver Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen.

Was wir bereits wissen ist, dass das Training der Muskulatur im gedehnten Zustand effektiver für Muskelwachstum ist als im nicht gedehnten Zustand.

Genauer gesagt führt Krafttraining mit einem vollen Bewegungsumfang zu mehr Muskelwachstum als ein geringerer Bewegungsumfang (Studie).

So konnte beispielsweise in dieser Studie nachgewiesen werden, dass volle Kniebeugen zu signifikant mehr Muskelwachstum führen als halbe Kniebeuge:

Muskelwachstum Volle Kniebeugen vs. Halbe Kniebeugen

Als kritischer Leser magst du jetzt zurecht denken, dass dies wenig verwunderlich ist, dass bei vollem Kniebeugen mehr Muskelwachstum stimuliert wird, weil die Muskulatur durch den größeren Bewegungsumfang schließlich mehr arbeitet und größerer mechanischer Belastung ausgesetzt wird.

Studien zeigen jedoch, dass selbst bei gleichem Bewegungsumfang einer Übung das Training im gedehnten Muskelzustand (größere Muskellänge) zu wesentlich mehr Muskelwachstum führt als bei kurzer Muskellänge.

Anders ausgedrückt: Wenn ausschließlich halbe Kniebeuge miteinander verglichen werden, dann führen „tiefe“ halbe Kniebeuge (also von der Hocke aus nur bis zur Hälfte aufrichten) zu deutlich mehr Muskelwachstum als “obere” halbe Kniebeugen (aus dem Stand nur bis zur Hälfte in die Knie gehen).

Darüber hinaus wurde dieser Effekt nicht nur bei Kniebeugen beobachtet, sondern zahlreiche neuere Studien kommen auch bei anderen Übungen und Muskelgruppen zu derselben Erkenntnis, beispielsweise folgende:

  • Bizeps-Curls im gedehnten Zustand führen zu signifikant mehr Muskelwachstum (Studie)
  • Trizepsstrecken über dem Kopf (overhead extension) führt zu wesentlich mehr Muskelwachstum als in neutraler Armposition vor dem Körper (Studie)
  • Beinstrecken führt zu signifikant mehr Muskelwachstum im gedehnten Bewegungsbereich (Studie)

Die Forschung legt also nahe, dass Muskeldehnung eine wichtige Rolle beim Muskelwachstum zu spielen scheint und nennt diesen (noch nicht vollständig verstandenen) Mechanismus “dehnungsbedingte Hypertrophie”.

Zwar wurde in mehreren (teils ethisch fragwürdigen) Tierversuchen bereits gezeigt, dass intensives Dehnen tatsächlich zu signifikantem Muskelwachstum führt (Studie, Studie). 

Das Problem ist jedoch, dass bisher nur äußerst wenige hochwertige Studien untersucht haben, ob ausschließlich durch Dehnen auch beim Menschen Muskelwachstum erreicht werden kann.

Der Großteil der Untersuchungen am Menschen konnte diesen Effekt nämlich nicht eindeutig bestätigen.

So fanden laut dieser Analyse von 10 Studien nur drei davon einen positiven Effekt durch Dehnung auf den Muskelaufbau.

Erschwerend kommt hinzu, dass viele dieser Studien die Dehnung in ein Krafttrainingsprogramm integrierten, wodurch jegliches möglicherweise festgestellte Muskelwachstum nicht eindeutig auf die Dehnung zurückgeführt werden kann.

Deshalb ist das Fazit der Studien-Auswertung, dass passives Dehnen von niedriger Intensität nicht zu Muskelwachstum zu führen scheint, intensives Dehnen mit externen Hilfsmitteln jedoch möglicherweise schon.

Neuere Studie liefert neue Erkenntnisse

Interessante neue Erkenntnisse liefert jedoch diese neuere Studie von Warneke et al., bei der die Effekte von intensivem Dehnen über eine relativ lange Zeit auf das Muskelwachstum untersucht wurden.

Dabei wurden 52 sportliche Teilnehmer zufällig in zwei Gruppen aufgeteilt: eine Interventionsgruppe (bei der die Dehnung durchgeführt wurde) und eine Kontrollgruppe (ohne Dehnung).

Die Interventionsgruppe führte dabei täglich jeweils eine Stunde lang intensives Dehnen mittels einer Orthese (mechanische Vorrichtung) am Fußgelenk durch.

Die Teilnehmer wurden dabei angehalten, die Orthese so straff zu spannen, dass sie einen Dehn-Schmerz von 8 auf einer Skala von 0 bis 10 empfanden – das ist also durchaus eine sehr starke Dehnung und intensiver Schmerz.

Dann setzten sie sich in einen Stuhl und legten den Fuß mit der Orthese auf einen gegenüberliegenden Stuhl ab und verbrachten jeweils eine Stunde in dieser Position.

Sobald ihre Beweglichkeit durch die Dehnung im Laufe der Studie zunahm, strafften sie die Vorrichtung nach, so dass der Schmerz jeweils bei 8 auf der subjektiven Skala blieb.

Am Ende der sechswöchigen Studie wurde neben der Stärke und Beweglichkeit auch die Zunahme der Muskeldicke des Wadenmuskels mittels Ultraschall gemessen. 

Gedehntes Bein vs. nicht-gedehntes Bein (1)

Wie du an den Ergebnissen der Studie siehst, führte das tägliche intensive Dehnen eindeutig zu signifikantem Muskelwachstum und zu nennenswerter Verbesserung der Muskelkraft und Flexibilität.

In gewisser Weise ist das die erste Studie, die eindeutig belegt, dass signifikantes Muskelwachstum durch ausreichend intensives und langes Dehnen grundsätzlich auch beim Menschen erreicht werden kann.

Denn obwohl diese Studienergebnisse zwar nicht komplett neu sind, sind sie deutlich aussagekräftiger als ältere Studien (wie etwa diese oder diese).

Möglicherweise untersuchen zukünftige Studien, in welchem Maße die Intensität und Dauer des Dehnens das Muskelwachstum beeinflussen und ob sich der Effekt zwischen verschiedenen Muskelgruppen unterscheidet.

Kann Dehnen Krafttraining zum Muskelaufbau ersetzen?

Wie diese eben erwähnte Studie von Warnecke et al. eindrucksvoll zeigt, ist zumindest am Wadenmuskel signifikantes Muskelwachstum alleine durch Dehnen möglich.

Obwohl die Übertragung dieser Resultate auf andere Muskelgruppen plausibel erscheint, sind dazu weitere Studien notwendig.

Die Frage ist jedoch, was das für dich aus praktischer Sicht bedeutet und ob Dehnen eine Alternative zum herkömmlichen Krafttraining darstellen kann.

Für die meisten von uns ist es wohl eher keine sonderlich interessante Alternative, sich täglich eine Stunde lang dieser äußerst schmerzhaften Dehnung auszusetzen, um Muskelwachstum in den Waden zu erreichen.

Im gleichen Zeitraum von einer Stunde kannst du schließlich ein umfangreiches Ganzkörper-Trainingsprogramm durchführen und somit in Summe wesentlich mehr Muskelwachstum erzielen als nur an einer Muskelgruppe.

Außerdem müsstest du dir dafür nicht nur eine entsprechende Vorrichtung (Orthese) kaufen, sondern die erforderliche Dehn-Intensität ist so schmerzhaft (8 von 10 auf Schmerzskala), dass die meisten Menschen wohl schon alleine deshalb normales Krafttraining bevorzugen werden.

Auf der anderen Seite gibt es durchaus Szenarien, in denen diese neuen Erkenntnisse in der Praxis sinnvoll angewendet werden können.

Man denke etwa an die Rehabilitation nach Verletzungen oder Operationen, bei denen eine teils wochenlange Immobilisation zu massivem Muskelverlust führen würde und kein Krafttraining möglich ist.

Hier könnte mit entsprechenden Dehn-Vorrichtungen dem Verlust von Muskelmasse effektiv vorgebeugt werden. 

Führt Dehnen in Kombination mit Krafttraining zu mehr Muskelwachstum?

Einige Studien legen nahe, dass Dehnen direkt vor dem Krafttraining die Muskelstärke bei den folgenden Übungen und dadurch stimuliertes Muskelwachstum reduzieren könnte.

Andere Studien hingegen kommen zur Schlussfolgerung, dass Dehnen zwischen den Sätzen möglicherweise das Muskelwachstum fördern könnte.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die wissenschaftliche Beweislage zu dieser Frage derzeit widersprüchlich und alles andere als eindeutig ist.

Dementsprechend fassen die Studienautoren dieser Auswertung von 10 relevanten Studien zusammen, dass zumindest passives Dehnen von relativ niedriger Intensität und ohne Hilfsmittel wohl keine positiven Effekte auf den Muskelaufbau zu haben scheint.

Auf der anderen Seite könnte Dehnen unter Belastung und von größerer Intensität möglicherweise zu Hypertrophie führen (was mit der eingangs erwähnten Studie von Warnecke et al, zusammenpassen würde).

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